Der japanische Garten kann am besten in einer passiven Zugangsform erfasst werden. Bei einem rationalen Vorgehen entziehen sich viele Inhalte den Sinnen. Der eher intuitive Zugang geschieht über die Kontemplation oder Meditation, einer zB. für Zen-Klöster typischen Vorgehensweise und Lebensform. Der japanische Garten war ein Garten des Schauens, der Betrachtung und Versenkung. In der Nähe zur Natur kennzeichnet ihn immer eine innere Mitte.
Von starkem Einfluss war geschichtlich der über China kommende Zen-Buddhismus gewesen. Sinn des Lebens ist danach die ´Entleerung des Inneren von allen Nichtigkeiten´ in der Verbindung mit der Natur und nicht das Gewinnen von Erkenntnissen, die der Vermittlung durch Bücher entstammen.
„Der Klostergarten ist die Frucht des japanischen Strebens nach einem Aufgehen des Menschen in der Natur, nach der Erfassung des Wesens kosmischen Geschehens auf begrenztem Raum. Ein derartiges Freiwerden aller schöpferischen Kräfte, wie man es in Japanischen Gärten bewundern kann, war nur nach einem langen Weg der Selbstzucht, der Beherrschung der vorgeschriebenen Handwerksregeln und Kunstfertigkeiten möglich. Aufgrund dieser Einstellung ist es japanische Tradition geworden, weniger die augenfällige, rasch auflodernde und rasch verlöschende Pracht hochzuschätzen als vielmehr alles, was das Ergebnis beständiger Pflege von Handfertigkeiten und Geistesgaben ist und dabei den geringen Bedürfnissen des Alltagslebens dient.“ (1)
Das Gärtnerhandwerk spielte in der Gartengestaltung eine bedeutsame Rolle. Ein starker Einfluss rührte her von der chinesischen Landschaftsmalerei. „Die Bilder mussten mit ihren maßvollen Ausdrucksmitteln, ihren meisterhaften Tuscheschattierungen von sattem Schwarz bis zartem Grau in den japanischen Zen-Bekennern das Verlangen erwecken, die eigenen Empfindungen und Ergebnisse konzentrierter Betrachtungen mittels der Natur selbst auszudrücken – durch die Fläche eines Steins, dem Strom eines Wasserlaufs, dem Grün eines Baums, durch jede Regung, jeden Glanz und Ton und Windhauch an nebligen Morgen, Mondnächten oder Herbstabenden… Die Zen-Maler ließen ihre Vorstellung immer lakonischer werden … und erreichten ihr Letztes in hoch symbolischen Sand- und Steinkreationen der Meditationsgärten.“ (1)
In der Gestaltung drückte sich stets die japanische Ästhetik aus: Einfachheit, Asymmetrie, Harmonie, Nähe zur Natur, Vergänglichkeit und Flüchtigkeit.
Aus der Kommunikationswissenschaft wissen wir, dass die Bildsprache in ihrer Sinnlichkeit und ihrem Gehalt die Wortsprache übertrifft. Einen tiefer reichenden emotionalen Zugang bewirkt in uns die Musiksprache. Die gestaltete Natur schließlich vermag eine weitere Dimension hinzuzubringen, die wir vielleicht als ehrfürchtiges Staunen begreifen können.
Deshalb möchte ich die Betrachtung jeweils einer kurzen beispielhaften Erläuterung voranstellen und so auf jeden einzelnen Betrachter wirken lassen.
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1. Saiho-ji
(9:35 Min)
Der Klostergarten Saiho-ji erstreckt sich am Ufer des Oi-Flusses im Westen Kyotos.
Leben und Wohnen im Fen-Shui
Von sehr großer Bedeutung sind Farben. Sie werden aus der Erkenntnis gewählt, dass dadurch das psychische und physische Wohlbefinden des Menschen beeinflusst wird. So wirkt Grün beruhigend auf die Sinne. Grüntöne können den Zugang zum eigenen Selbst fördern und helfen, mit dem Inneren Kontakt zu finden. So steht Grün für Ruhe, Frische und Zuversicht.
Weiß, zB. in der Form als geharkte Sandflächen in Meditations-Gärten, vermitteln dem Betrachter ebenfalls Ruhe und deuten auf eine friedvolle Zukunft.
„Goldene Dämmerung, weiche Moosteppiche, die glatte Wasserfläche mit dem Spiegelbild der Baumstämme, Atmosphäre inneren Frohlockens, Stille, die von Menschenhand vollendete Natur – das ist die Stätte unerschöpflicher Inspiration seit dem 14. Jahrhundert, da der Klostergarten Saihoji in Kyoto, bekannt auch als Kokedera, das Mooskloster, besteht.“
Der Garten war für Spaziergänge bestimmt und besaß mehrere Pavillons, von denen keiner erhalten geblieben ist. Der obere Teil des Gartens ist ein sog. Steingarten. Der untere Garten wird beherrscht von dem langgestreckten Goldenen See. Er symbolisiert das chinesische Zeichen für das Wort Herz und ist durch kleine Inseln gegliedert. Er zeigt auf seiner Wasserfläche in reizvollen Spiegelungen die schlanken Baumstämme und Büsche.
„Dieser Teil des Gartens hat seinen besonderen Reiz der fast lückenlosen Moosdecke zu verdanken; mit Recht trägt der Komplex den Namen Kokedera – Mooskloster. Die Mosse bilden kleine Hügel, bedecken Steine und klettern an Baumstämmen hoch und bezaubern mit der Vielfalt ihrer Strukturen und Schattierungen. Das Sonnenlicht, gedämpft durch Laub und Zweige, vertieft ihre Farbskala. Ein Bild gemalt von der Natur und nachfühlend vollendet von Menschenhand. Nirgendwo ist es wohl gelungen, den verborgenen Eigenwert so bescheidener Pflanzen, wie es die Moose sind, so eindrucksvoll sichtbar werden zu lassen.“ (1)
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2. Ginkaku-ji
(8:45 Min)
Silberner Pavillon
Unter dem Einfluss der Zen-Kunst und der Malerei bildeten sich um 1000-1200 (nChr.) neue Richtungen in der Gartenkunst. Weiträumigkeit wurde zugunsten fest begrenzter kleinerer Flächen aufgegeben. Die Nutzung der Gärten ging eher weg von Bootsfahrten hin zu kleinen Spaziergängen oder zum reinen Beschauen von einem festen Haus aus. Die wesentlichen Elemente ´Seen, Inseln und Wasserläufe´ blieben aber enthalten, nur eben in verkleinerter und symbolisierter Gestaltungsform.
„Die Zen-Lehre hatte das Leben der japanischen Krieger um einen wichtigen Zug bereichert – das Bedürfnis nach Meditation. Dieser konnten sie sich in den bedachtsamen durchkomponierten, viereckigen oder quadratischen Meditationsgärten der Klöster hingeben. Die Krieger – und nicht selten selbst der Shogun – führten ein halbmönchisches Leben und verbrachten dort viele Stunden des Tages in völliger Abgeschiedenheit von den Sorgen der Außenwelt.“ (1).
„Wie der Saiho-ji ist auch die Gartenanlage des Ginkaku-ji in Teile gegliedert, deren unterer zum Spazierengehen gedacht ist. Der obere Teil des Gartens ist, wie der Saiho-ji, eine Art Trockenlandschaftsgarten an einen steilen Berghang.„ (2)
Inseln und Steingruppen beherrschen das Bild. Besonders wichtig war bei der Gestaltung des Gartens der Übergang in den umgebenden Bergwald
„Den stärksten Eindruck machen zwei weiße Sandgebilde…
Das eine Sandgebilde ist eine etwa 60 cm hohe Tafel, deren Oberfläche in Streifen geglättet ist und Meereswellen darstellt, die im Mondschein leuchten…
Das zweite Gebilde, ein 180 cm hoher Sandkegel mit abgeflachter Spitze trägt den Namen Kogetsudai – Mondwärts gerichtete Scheibe.
Bei Tageslicht wirkt ihr blendendes Weiß sonderbar überraschend, fast bestürzend; in Mondnächten dagegen weckt ihr Anblick Sehnsucht und wehmutsvolle Gefühle; immer zwingen sie den Beschauer zu gesammelter Betrachtung.“ (1)
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3. Kinkaku-ji
(9:15 Min)
Goldener Pavillon
Für die Shogune gehörte es zur Tradition, sich nach ihrer Beendigung von ihren militärischen Ämtern in palastähnliche Wohnsitze zurückzuziehen, um dort ein mönchisches Leben nach den Regeln des Zen-Buddhismus zu führen. Yoshimitsu, der dritte Shogun aus dem Geschlecht der Ashikaga, beschloss nach dem Vorbild des Gartens in Saihoji einen eigenen Garten anzulegen.
Er errichtete seinen Landsitz Kitayama, der später in ein Kloster umgewandelt wurde. Der davon erhaltene zweistöckige Goldene Pavillon ist von einem See umgeben. Er brannte 1950 infolge Brandstiftung ab, wurde aber nach Originalplänen wieder aufgebaut. Heute heißt die Anlage Kinkaku-ji, ´Tempel zum Goldenen Pavillon´, weil die Deckenkonstruktion eines der Pavillons vergoldet war.
„Der Teich ist in zwei Teile gegliedert, einen inneren und einen äußeren: der innere Teil liegt unmittelbar vor dem reich geschmückten Hauptpavillon und ist durch eine große Halbinsel und eine längliche Insel fast völlig von dem äußeren Teil mit einigen kleinen Steininseln abgetrennt.“ (2)
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Quellen
Japanische Gartenkunst Dausien Verlag, Prag 1990
Günter Nitschke Japanische Gärten Taschenverlag 2007
Beide Bildbände sind vorhanden in der Bibliothek des Japanischen Kulturinstitutes in Köln.
Im Buch von Günter Nitschke wird besonders verwiesen auf das vielbändige "Große Handbuch der japanischen Gartenkunst", das der Gartenhistoriker und Gartenarchitekt Shigemori Mirei herausgegeben hat (ab 1936). Hieraus entnahm Nitschke auch in vereinfachter Form die Skizzen, die beispielhaft oben einbezogen wurden.
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